KOMISCH' WETTER ZWEI

Hadas Auerbach Sarah Bechter Julia Frank dans op de tafel (Siggi Hofer Michael Strasser) Fabian Seiz Cécilia Mangini Tobias Teschner Markus Vater Paweł Żukowski
kuratiert von Siggi Hofer

2. Oktober 2021 - 31. Oktober 2021



  • komisch wetter zwei
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und im shower room

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außen

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© Michael Strasser / Kunstverein Schattendorf

KOMISCH' WETTER ZWEI

Im März letzten Jahres sind wir nervös und überstürzt aufgebrochen, haben die letzten Flüge noch gerade so erwischt oder knapp verpasst, sind auf Bus und Bahn und Auto umgestiegen. Es war wie eine Flucht, eine Flucht zurück in unsere Heimaten und Wahlheimaten, um aufzuatmen, um uns sicher zu fühlen, bis wir dann doch erkennen mussten, dass diese Sicherheit nur eine vermeintliche war. Wir haben bis hierher die Strecke zurückgelegt. In dieser Zeit ist einiges passiert und vieles ist nicht passiert. Wir sind jetzt andere, weil es uns schwer fällt die Alten zu sein. Stellen werden neu besetzt. Wir sehen immer noch und öfter als früher gen Himmel und versuchen Wolkenspiel und Lichtverhältnis zu deuten. Bis an die Zähne bewaffnet, betten wir unsere Hoffnungen weich, und während der Vorhang für die einen für immer fällt, öffnet er sich für die anderen wieder.

Text: Siggi Hofer

KOMISCH’ WETTER (no end)

„Mitten in Georgia markiert ein Metalltor den Zugang zu vielen Hektar Wald und einem Gewirr aus Forstwegen. Wenn die Bäume hier sprechen könnten, würden sie die Geschichte von Sägeblättern erzählen, die sich in altes Holz fressen und von Reifen, die unter den schweren Ladungen stöhnen.“ 1

„In Burien, einem Vorort von Seattle im Bundesstaat Washington, lebt, wer es mit harter Arbeit zu etwas Wohlstand gebracht hat. Doch 1996 wählt ein Einwohner die kriminelle Abkürzung zum Erfolg.“ 2

„Bradburry ist ein Vorort von Los Angeles, etwa 40 km entfernt mit etwa 1000 Einwohnern. Die Häuser liegen in sogenannten Gated Communities und kosten 8.000.000 Dollar und mehr. Es ist ein Paradies für die Reichen und Berühmten; verborgen und gut geschützt, bis zu jenem Morgen im Jahr 1988.“ 3

„Lago in Florida, perfekt gelegen zwischen dem Golf von Mexiko und der Bucht von Tampa. Es gibt hier zwei Kategorien von Leuten: Touristen die kommen und gehen und die sogenannten Townies, die das ganze Jahr hier leben. Letztere sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Und wenn einer von ihnen mit durchtrennter Kehle gefunden wird, geht das allen an die Nieren.“ 4

Die Stimme aus dem Off, die sich wie ein sanfter Schleier über die ganzen Geschichten legt, vermag uns doch unmissverständlich beizubringen, dass das Gefährlichste überhaupt die Idylle ist. Der Anfang, meist eine geographische Beschreibung, lässt Zweifel offen. Dennoch nimmt die Geschichte ihren Lauf und geht in die absolute Katastrophe über, die in weiterer Folge dann doch aber leider in einer Art unbefriedigendem Happy End mündet, mit dem man noch, so hat es den Anschein, eine ganze Zeit zu verbringen hat. Bevor es zum tatsächlichen Ende der Erzählung kommt, von der betont wird, dass sie auf wahren Begebenheiten fußt, beginnt bereits der Anfang einer neuen Geschichte. Diese Überlappung, die sich freilich hauptsächlich im Gehirn des hyperaktiven Konsumenten abspielt, fördert allerdings Spannendes, wenn auch nur atmosphärischer Natur zu Tage. In diesem Nebel, der die Summe von Geschehnissen, Orten und Situationen bündelt, blitzen hin und wieder klare Bilder auf, an die wir uns noch lange erinnern, auch wenn der Hergang schon längst verblasst ist. Der Nebel bringt das zusammen, was man sich in Kombination so vorher nicht hätte vorstellen können. Die besagten klaren Bilder bedeuten Aktion und den Willen oder das unbändige Bedürfnis, Veränderung herbeizuführen. Veränderung ist Entwicklung.Während die Einen sich schon lange ihre Arbeitskleidung übergeworfen haben, was weitere Diskussionen vor Arbeitsantritt aber nicht ausschließt, trommelte die Andere ihre Freunde demonstrativ NICHT zusammen, blickt aber erst recht frech nach vorne, als wäre sie Teil des Ganzen; als wäre sie Bruder und Schwester der eigenen Katze und überhaupt der ganzen Natur und Umgebung, vielleicht der ganzen Welt. Während die Einen im Großraumatelier Menschen, Maluntensilien und ständig Ein- und Ausgehenden trotzen, passieren hinter dem Rücken der Anderen seltsame Dinge. Für einen Moment hat sie sich in Pose gebracht. Aber nicht um sich, sondern vielmehr um das Geäst im Hintergrund und das Geschehene oder zu Geschehende zu akzentuieren. Als Medium einer allgemeingültigen und relevanten Botschaft. Im Fokus steht nicht die Arbeit und der Schweiss, nicht die Muskelkraft, eher schon der Verstand, ganz gewiss aber das Denken und das Tun.

Die grosse Skulptur, der abendfüllende Film, die grosse Moral, die Malerei sind Nichts ohne das Sich-Einlassen, das Spüren. Das in die Öffentlichkeit treten und das sich in den eigenen Gedanken vergraben, wechseln sich ständig ab. Der Zweifel, die Hingabe, nicht der Beweis, herrscht vor. Das Werk wächst in den Pausen, und du lernst vom dem, was du nicht wusstest.

Es geht um die Welt, nie um die Heimat. Es geht um die Furchtlosigkeit, auch Dilettantismus und darum, Fehler vor den Vorhang zu zerren, als wären sie Verwandte, für die man nichts kann und für die man sich mitunter schämt. Außerdem geht es um Intuition, Intuition die ungemein präzise sein kann. Kommunikation und Verweigerung, Rückzug und Angriff kauern unsichtbar im Nebel und gehen Hand in Hand, sobald sich dieser lichtet.

Was könnten wir nicht alles zum Einsturz bringen, könnten wir die Kräfte vereinen? Was könnten wir erschaffen, was erobern, oder wieviel? In welchem Umfang? Welche Aussagen treffen? Was hinterlassen? Wir sind konfrontiert mit einer Kollektion von Räumen. Einer folgt dem anderen. Schwarzer Boden, weiße Wände. Drei. Von Einem gelangt man mittels Durchgang in den jeweils Anderen. Beim Begehen tun sich Bilder auf: Kieslowskis „No End“ wächst sprachlich seziert in den Raum, über die Chronologie des Grauens ist ein Hauch von Glitter gestreut. Jedem Pragmatismus ist unbedingt etwas romantisches abzugewinnen. Mittels eines uralten Rituals beklagen Frauen im Kollektiv den Tod der Schönheit, der Jugend und Erotik. Und doch ist es nur Trost. Anderen Orts rubbelt man sich, ebenfalls im Kollektiv, im Fliesenambiente den Tagesschweiß vom Leib.Den Schweiß, der mit Seifenwasser vermischt im Abfluss und für immer aus der Welt entschwindet. Der Ort ist ein seltsamer Ort, den es ohne diesen Tunnel gar nicht geben würde. Denn der Eingang, die Möglichkeit des Eingangs, entscheidet über Sein oder Nichtsein. Als hätten wir den Ort durch einen Spiegel betreten, begegnen uns urplötzlich ein zahmer, eigenartig steifer Löwe auf dem Schoss eines behaarten Menschenkörpers, die Künstlerin Elaine Sturtevant und zu allem Überfluss eine richtig große Elefantenherde, gelber Schnee und immer und immer wieder das Selbst.


1 „Der hilfsbereite Mörder“, Chronologie des Grauens, Episode 12, Staffel 2, USA 2015, deutscher Erstausstrahlung 2017
2 „Mord ohne Leiche“, Chronologie des Grauens, Episode 11, Staffel 2, USA 2015, deutsche Erstausstrahlung 2017
3 „Doppelmord in Bradburry“, Chronologie des Grauens, Episode 09, Staffel 2, USA 2015, deutsche Erstausstrahlung 2017
4 „Das Versteck“, Chronologie des Grauens, Episode 06, Staffel 2, USA 2015, deutsche Erstausstrahlung 2017